Niedersächsisches Landesamtes für Straßenbau
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Die Niedersächsische Straßenbauverwaltung verlässt ihr historisches Dienstgebäude

Am 12. Januar 2004 sind unsere Kolleginnen und Kollegen des Niedersächsischen Landesamtes für Straßenbau aus dem historischen Palais des Grafen Grote Sophienstraße 7 im Zentrum Hannovers in ein neues Dienstgebäude in Ricklingen, Göttinger Chaussee 76, 30453 Hannover, in die Randlage Hannovers umgezogen.

Zu diesem Anlass gab uns unser »Straßenbauhobbyhistoriker«, Peter Walther, einige interessante Hinweise zur Geschichte und zu baulichen Besonderheiten dieses Gebäudes.

Das Haus Sophienstraße 7 wurde inden Jahren 1862–64 von dem Architekten Otto Götze erbaut. Bauherr war Graf Adolf Georg Börries Grote. Dieser stand im diplomatischen Dienst des Königreiches Hannover, das bekanntlich im Jahre 1866 von Preußen annektiert wurde. Damit kam auch das berufliche »Aus« für unseren Grafen. Er zog sich auf sein Rittergut Wiegersen bei Buxtehude zurück. Die Freude an seinem Neubau war somit leider nur sehr kurz.

Das Haus wechselte in der Folgezeit mehrere Male seine Besitzer. Seit 1941 war es schließlich Eigentum der Industrie- und Handelskammer. In der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober 1943 erschienen 457 Flugzeuge der Royal Air Force mit einer Bombenlast von 1667 t über Hannover. Bei diesem schweren Angriff, dem am 19. Oktober bereits ein gleich schwerer folgte, brannte das Haus vollkommen aus. Es blieben nur die Außenwände stehen.

Dieser Angriff machte auch die Straßenbauabteilung der Provinzialverwaltung obdachlos, die damals in einem Seitenflügel des Ständehauses an der Bertastraße 2 untergebracht war. Es begann für die kleine Schar der vom Wehrdienst verschonten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Odyssee durch die Stadt Hannover, die im Mai 1945 nach Beendigung der Kampfhandlungen in der damaligen Nord-West-Bank am Georgsplatz 20 endete.

Hier erfolgte der Wiederaufbau der Straßenbauabteilung der damaligen Provinz Hannover, später die Verschmelzung mit der Reichsautobahnverwaltung und schließlich die Bildung der Niedersächsischen Straßenbaudirektion, nachdem das Land Niedersachsen aus der Provinz Hannover sowie den Ländern Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe entstanden war.

Nach der Währungsreform am 20. Juni 1948 vergrößerte sich der Geschäftsumfang der Bank derart, dass sie für die Straßenbauverwaltung keinen Platz mehr erübrigen konnte. Die Kolleginnen und Kollegen mussten sich damals unter Zeitdruck auf die Suche nach einem neuen Domizil begeben. Bei dieser Suche stieß man auch auf die Ruine des Hauses Sophienstraße 7, die von der Eigentümerin, der Industrie- und Handelskammer Hannover, zum Ausbau angeboten wurde. Man erkannte nach einer Vorbesprechung am 13. Juli 1950 bald, dass die Ruine nach entsprechendem Wiederaufbau zur Aufnahme der am Georgsplatz 20 untergebrachten Büros geeignet war; den Plänen zum Wiederaufbau aber auch verhältnismäßig enge Grenzen gezogen waren, weil die Ruine mit ihrer sehr gut erhaltenen Fassade unter Denkmalschutz stand.

Die Kaufbedingungen sowie die Möglichkeiten der Verwendung der wiederaufgebauten Ruine an dieser ausgezeichneten und verkehrsgünstigen Lage waren aber so ansprechend, dass sich die Landesregierung nach wechselvollen und teilweise recht schwierigen Verhandlungen entschloss, die Mittel für den Erwerb des Grundstückes mit Ruine (145.000 DM) und für den sofortigen Wiederaufbau (335.000 DM) bereitzustellen. Dabei war auch die Überlegung maßgebend, dass es eine besondere Pflicht der öffentlichen Verwaltung ist, ein wertvolles altes Gebäude – ein Stück alten Hannovers – für die kommenden Generationen zu erhalten.

Nachdem diese Grundsatzentscheidung getroffen war, erstellte das von der Hochbauabteilung im Niedersächsischen Finanzministerium mit der Entwurfsgestaltung und der Bauausführung beauftragte Staatshochbauamt I in Tag- und Nachtarbeit die Pläne, so dass die Bauarbeiten schon am 6. November 1950 begonnen werden konnten.

Es wurde eine für heutige Verhältnisse ungeheure Schar von Handwerkern eingesetzt; bis über achtzig Mann pro Tag. Dieser hohe Einsatz wurde damit belohnt, dass man das Richtfest pünktlich am festgesetzten Termin, dem 15. Dezember 1950, begehen konnte.
Das »dritte Hoch« des Richtspruches des Zimmerpoliers Lipski möge die Leistung dieser fleißigen Leute hier noch einmal würdigen:

Das dritte Hoch den Handwerksleut´, Die mit viel Lust und Emsigkeit Geschaffen haben dieses Haus Der Direktion des Straßenbaues.

Einem Besucher, der heute das Gebäude betritt, fällt sofort die zentrale Treppenspirale auf, die dem ganzen Haus einen besonderen Charakter gibt. Über diese Treppe hat man sich damals beim Wiederaufbau viele Gedanken gemacht, die unser ehemaliger VSVIPräsident, Walter Hartwigk, in einem Bericht vom 1. Juli 1951 zur Fertigstellung des Gebäudes wie folgt zusammengefasst hat:
»Eine architektonisch besonders erwähnenswerte Leistung war die Gestaltung der massiven Treppen, die sich zügig vom Kellergeschoss zum Erdgeschoss und weiter zum 1. und 2. Geschoss winden. Viele kritische und zweifelnde, ja ablehnende Stimmen wurden laut, weil die Statik der Treppe schwierig war, zumal die alten Wände und der Boden zur Aufnahme hoher Belastungen durch das massive Treppenhaus nicht geeignet waren. Auch war die Frage, ob das Treppenhaus durch Tageslicht ausreichend beleuchtet wird, nach den Plänen im Voraus nicht eindeutig zu beantworten. Wenn heute das Treppenhaus entgegen allen Bedenken in jeder Hinsicht befriedigt, so ist das in erster Linie dem Mut und der Verantwortungsfreudigkeit der Architekten des Staatshochbauamtes zu verdanken.« Am festgelegten Termin, dem 1. Juli 1951, war das Haus fertiggestellt und bezogen.

Mehr als fünfzig Jahre, ein gutes halbes Jahrhundert, hat die Straßenbauverwaltung nun von diesem Haus aus die Geschicke des Straßenbaus in Niedersachsen nach den Vorgaben unserer Volksvertreterinnen, Volksvertreter und Ministerien gelenkt. Das Haus hat für alle Menschen, die mit dem Straßenbau zu tun haben, eine vertrauensbildende Symbolkraft erlangt. Wir wünschen unseren Kolleginnen und Kollegen, dass sie hiervon in ihr neues Umfeld etwas mitnehmen können.

Hartmut Gärtner

Nachsatz: Als ich die obigen Zeilen schrieb, fiel mir eine alte Geschichte von einem Sozialhilfeempfänger ein, die ich vor langer Zeit einmal gehört oder gelesen habe. So genau weiß ich das nicht mehr. Dieser gute Mann hatte von seiner Oma ein kleines Häuschen geerbt und konnte so trotz aller Not wenigstens mietfrei wohnen. Eines Tages kam er auf die Idee, sein Häuschen zu verkaufen und zur Miete zu wohnen, um so seine Not zu lindern. Es dauerte nicht lange, da hatten die Mietzahlungen seinen bescheidenen Gewinn aufgezehrt und er war noch ärmer als vorher. Wie gesagt, das ist eine alte Geschichte, die mit der new oeconomy wohl nicht mehr kompatibel ist.

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